AG Historische Mitte Berlin Arbeitsgemeinschaft zur Wiedergewinnung des historischen Stadtkerns
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Fernsehturm-Baustekke 1969 Marienviertel und Heilig-Geist-Viertel, Luftaufnahme, 1945 DDR-Hauptstadtplanung: Modell von 1965. Luftaufnahme Marx-Engels-Forum, 2012
Einführung Die AG Historische Mitte Berlin strebt die Wiedergewinnung des Berliner Stadttkerns, des ältesten Teils Berlins, als Raum städtischen Lebens und Handelns an. Bis 1945 bestand der seit dem Mittelalter bestehende Stadtkern Alt-Berlins aus dem östlich der Spree gelegenen Nikolai- viertel, dem Marienviertel, dem Heilig-Geist-Viertel und Klosterviertel, ferner aus dem westlich der Spree gelegenen Alt-Cölln, dessen Mittelpunkt der Petriplatz bildete sowie der sich südlich daran anschließenden Fischerinsel. Beide Viertel waren vor dem zweiten Weltkrieg über acht Jahrhunderte dicht bebaut – ebenso wie die benachbarten Nikolai- und  Klosterviertel, die auch zu Alt-Berlin zählen. Am 3. Februar 1945 wurden sie – wenige Wochen vor Kriegsende – durch die Bombardierungen in ihrer  Substanz schwer beschädigt. Gänzlich dem Erdboden gleich machte man sie allerdings erst in den 1960er Jahren. Der Ost- Berliner Magistrat ignorierte geflissentlich, dass sich zahlreiche Grundstücke vor dem Krieg in Privatbesitz befunden hatten, etliche auch von den Nationalsozialisten „arisiert“ worden waren. Man plante hier in den ersten Nachkriegsjahren eine große Aufmarschfläche für Demonstrati- onen, daher wurden die Privatparzellen enteignet und kurzerhand zu öffentlichem Straßenland erklärt.    Als angeblich „einsturzgefährdet“ riss man nach und nach sämtliche Gebäude ab und beseitigte systematisch die gewachsene stadtkulturelle Identität einer vorgeblich untergegangenen Epoche. Auch das Netz der Straßen und Plätze löschte man vorsätzlich aus, die Namen bedeutender Straßen verschwanden; nichts sollte mehr an die Altstadt Berlins erinnern. Stattdessen schuf man ein Ensemble namens Staatsachse der Deutschen Demokatischen Repu- blik. 1966 geplant und erbaut von dem Chefarchitekten des Ost-Berliner Magistrats, Hermann Henselmann, der mit diesem von einem 365 hohen Fernsehturm gekrönten Herzstück des General-Bebauungsplans für die Hauptstadt der DDR der Staatsmitte „Symbolkraft  verleihen“ wollte. Die städtebaulichen Großmachtphantasie der DDR wurde 1979 als Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt und dabei blieb es auch nach der Wende. Ebenso rabiat verfuhr man auch mit dem anderen Teil des historischen Stadtkerns, dem ebenfalls seit dem Mittelalter existierenden Alt-Cölln, am westlichen Spreeufer gelegen. Dies umfasst die Breite Straße zwischen Schlossplatz und Gertraudenstr. auf der Spreeinsel, ferner zählen dazu der Petriplatz und  der ehemalige Spittelmarkt, die in den 60er Jahren begraben wurden unter der Asphaltdecke einer achtspurigen Autobahntrasse, die man über die ehemalige Gertraudenstr, den Mühlendamm und die Grunerstraße legte. Ferner zählt zu Alt-Cölln die ehemalige Fischerinsel mit ihrer Jahrhunderte alten kleinteiligen pittoresken Bebauung, die man nach dem Zweiten.Weltkrieg hätte wieder aufbauen können. Stattdessen ließ man die historischen Häuser leer stehen und systematisch verfallen, bis sie „abrissreif“ waren. Zwischen 1965 und 1969 errichtete der Ost-Berliner Magistrat hier fünf Hochhäuser in Plattenbauweise mit jeweils 23 Stockwerken sowie ein Hallenschwimmbad, die auch heute – über ein Vierteljahrhundert nach der Wende – weiterhin von den einstigen Maximen sozialistischer Städtebaukultur künden. (Näheres hierzu unter ALT-CÖLLN)   Nach der Entscheidung des 14. Deutschen Bundestages zum Wiederaufbau des Maßstab setzenden Berliner Schlosses auf der Museumsinsel als Humboldtforum/Museum für außereuropäische Kulturen, erscheint die Wiedergewinnung des umgebenden historischen Stadtkerns als Herzstück der Bürgerstadt von entscheidender Bedeutung für Berlins in acht Jahrhunderten gewachsene geschichtliche Identität. Im September 2019 wird das Schloss/Humboldtforum seine Tore öffnen und in jedem Jahr – so erwarten es die Veranstalter – 2 bis 3 Millionen Besucher auf die Museumsinsel locken. Der Geschäftsführer der Stiftung Humboldtforum, Manfred Rettig, fragt in jüngster Zeit zurecht: „Wie verhält sich die Bürgerstadt Berlin angesichts dieser Herausforderung?“  Tatsächlich sind (wie seinerzeit auch bei der Schloss-Wiederaufbau–Debatte vor 2o Jahren) die Bürger in ihren Überlegungen bereits weiter als die Stadt. Diverse Vereine und Stadtplaner beschäftigen sich mit der künftigen Gestaltung der städtebaulich beklagenswerten Situation der Areale im Osten und Süden der Museumsinsel. Einer der prominenteren Vertreter dieser Planspiele ist der vormalige Senatsbaudirektor Dr. Hans Stimmann, der sich bereits mehreren reich bebilderten Publikationen für eine Reurbanisierung des historischen Stadtkerns ausgesprochen hat. Hier folgen zwei Fotos aus seinem jüngsten Bildband mit dem ironischen Titel: „Berliner Altstadt – Neue Plätze rund um das Schloss“. Auf den Scans, die demnächst durch offizielle Bildwiedergaben ersetzt werden, erkennt man die derzeitige Stadtmitte mit der Baustelle Humboldtforum; das rechte Foto zeigt den Stadtkern. In der Bildunterschrift heißt es: „Die Überlagerung des Status Quo mit seiner historischen  Straßen- und Parzellenstruktur öffnet die Augen für die Potentiale des Stadtkerns. Dabei wird klar, dass das Aufsplitten der Stadtbau-Debatte in einzelne Quartiere diesem Raum in keiner Weise entspricht. Es bedarf einer zusammenhängenden Gesamtplanung.“ Die AG Historische Mitte Berlin setzt sich dafür ein, dass auf dem Gebiet des einstigen Stadtkerns ein möglichst vitales Stadtzentrum mit hoher Aufenthaltsqualität entsteht, das die Geschichte des Ortes erlebbar macht. Angesichts zahlreicher, gesichtsloser funktionaler, beliebig plazierter Bauten im Berliner Zentrum sieht die AG Historische Mitte Berlin in einer Wie- deraufbauenden Historischen Reurbanisierung (WHR), basierend auf dem Vorkriegsstraßen- grundriss, die einzigartige Chance, der Bundeshauptstadt Berlin ein bürgerfreundliches und wirtschaftsstarkes, von architektonischer Vielfalt geprägtes Zentrum zu schaffen. Nach der Fertigstellung des Schloss/Humboldtforums sollte dieses den zu erwartenden Tou- ristenströmen der nahen Museumsinsel attraktive Nutzungsmöglichkeiten im gastronomischen Bereich und auf kulturellem Sektor bieten, um somit der Gefahr erkennbar zunehmender städte- baulicher Beliebig- und Bedeutungslosigkeit zu begegnen. Dieses historisch re-urbanisierte Zentrum soll für die Identitätsbildung der Nation einen wichtigen Stellenwert gewinnen. Es sollte daher auf traditionelle identitätsstiftende Gestalten und Gebäude zurückgreifen; beste- hende und zum Teil unter Denkmalschutz stehende Bauten und Denkmäler wieder mehr ins Bewusstsein zurückrufen, gleichzeitg aber auch bewusst neue Orte mit hoher Aufenthaltsqualität schaffen, die sich in ihrer Gestaltung auf gewachsene historische Platzräume und Sichtachsen berufen und um für die Besucher aus aller Welt, für die Berliner und nicht zuletzt für die Anwohner im vormaligen historischen Zentrum wieder einen attraktiven autofreien Stadtraum zu gestalten, der zum Verweilen, zum Flanieren einlädt; gleichzeitig jedoch auch bezahlbare Wohnungen und Kleingewerbe-Möglichkeiten schafft. Auf dem rechten Bild hat der Berliner Architekt Bernd Albers in einem ersten Visualisierungs- versuch, die Löcher in der Stadt schon einmal mit kleinparzellierten Bauklötzchen gefüllt. Sie sollen lediglich der Phantasie Vorschub leisten, wie dicht der historische Stadtkern im Jahre 2030 wieder bebaut sein könnte.     Ziel ist es, eine städtebauliche Einheit – ggf. auch diejenige, die vor 1900 bestand – soweit wie es möglich ist, wieder herzustellen, durchaus auch mit gelungener zeitgenössischer Architektur, basierend auf dem historischen Stadtgrundriss.                                                  Die AG Historische Mitte Berlin tritt ein für eine kleinteilige Entwicklung des historischen Zentrums mit einer relativ strengen, an historischen Vorbildern ausgerichteten Gestaltung, orientiert an einzelnen Parzellen, die keinesfalls allein oder überwiegend vom Land Berlin bebaut werden sollten; vielmehr wird eine Vergabe an möglichst viele Bauherren angestrebt, die sich allerdings verbindlich an eine zuvor erstellte Gestaltungssatzung zu halten haben. Für die städtebauliche Weiterentwicklung im Bereich des Stadtkerns ist ein Umdenken erforderlich, da es sich hier nicht um einen städtebaulichen Raum handelt, der allein nach den zeitgenössischen Vorstellungen der Politiker und Stadtplaner gestaltet werden kann, sondern um den Gründungsort der Hauptstadt, an dem historische Bezüge und die Wiederfindung der historischen Identität eine entscheidende Rolle spielen. Mit einem Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 19.05.2009 wurde nun wenigstens entschieden, dass – begleitend zum Bebauungsplanverfahren für das Humboldt-Forum – auch stadtentwicklungspolitische Grundsätze für das „Rathausforum“ formuliert werden sollen. Die Senatsbauverwaltung steuerte zur Diskussion damals ihre „Visionen 2009“ bei, von denen eine vorsah, das gesamte Areal zu fluten und in einen gigantischen See zu verwandeln.  Wie auch  immer die städtebauliche Zukunft der historischen Mitte in den nächsten Jahren aussehen wird. Bevor hier irgend jemand etwas plant und baut, sollte er sich zunächst einmal mit der über 800-jährigen Geschichte des Ortes auseinandersetzen. Seit dem Frühjahr 2015  läuft eine von der Senatsbauverwaltung initiierte Bürgerbeteiligungsdebatte unter dem Titel „Alte Mitte – Neue Liebe“. Sobald diese erste konkrete Resultate vorweisen kann, werden wir darüber berichten. Bei dem von der Senatsbauverwaltung als „ergebnisoffenes Partizipationsverfahren“ bezeichneten Diskussionsprozess verzichtet man bis dato allerdings völlig darauf, die Teilnehmer über die 800jährige Geschichte des Stadtkern aufzuklären. Mit ihrer Homepage versucht die AG HMB diese Lücke ein wenig zu schließen. Alle, die uns hierbei mit Fotos oder Informationen unterstützen wollen, sind hierzu herzlich eingeladen.                                                                                     *********
Fischerinsel, Luftaufnahme 1936 Luftaufnahme Fischerinsel mit Getraudenstraße, 1972 Bernd Albers Visualisierung „Vom Humboldtforum zum Stadtkern, 2030”. Luftaufnahme Historischer Stadtkern, 2014 Rathausforum, Visionen 2009 Rathausforum, Visionen 2009
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