Die Bürgerstadt Alt-Berlin/Cölln
Die Handelsverbindungen reichen von Osteuropa bis Hamburg, Flandern und England. Die Stadt
erstreckt sich zu dieser Zeit auf einer Fläche von 70 Hektar und umfasste die Handelsniederlassung
am Molkenmarkt und rund um die Nikolaikirche sowie die Gegend des Neuen Marktes und der
Marienkirche Die mittlere Schicht der Doppelstadt Berlin/Cölln bilden kleine Kaufleute, Hand-
werksmeister und Ackerbürger, die sich in Zünften organisieren. Als ältestes Dokument des Zunft-
wesens gilt die Bestätigung einer Bäckergilde aus dem Jahr 1272.
Die Askanier beschleunigen den wirtschaftlichen Aufstieg, indem sie den Kaufleuten Zölle erlassen
und Berlin das Münzrecht und die Hohe Gerichtsbarkeit geben. Dabei unternehmen sie nie etwas
gegen die Interessen des Stadtpatriziats, zumeist Kaufmannsfamilien, die im Magistrat dominieren.
Während des 14. Jahrhunderts können die damals 8000 Bewohner die überragende Stellung der
Doppelstadt in der Mark Brandenburg trotz aller Hindernisse behaupten. 1307 schliessen sich
Berlin und Cölln zu einer Stadt zusammen, bauen sogar ein drittes Rathaus, auf der »Langen
Brücke«, die die Städte über die Spree miteinander verbindet.
Der erste authentische Stadtplan, den wir
besitzen, stammt aus dem Jahre 1652, ange-
fertigt von Johann Gregor Memhardt, und ist
also nach dem 30jährigen Krieg entstanden.
Der Memhardtplan verzeichnet bereits süd-
westlich der Bürgerstadt ein Residenzschloss,
das in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
errichtet wird. Doch bis es so weit ist,
geschehen noch einige erwähnenswerte
Dinge, die die künftigen Geschicke der kleinen
Doppelstadt Berlin/Cölln prägen werden.
Die Mark Brandenburg unter den Wittelsbachern
bis zum Neubau des Kurfürstenschlosses
Obwohl Berlin in dieser Zeit zweimal fast völlig abbrennt und 1348 auch die Pest die Stadt heim-
sucht, schafft sie es nach dem Tod des letzten Askanierfürsten 1319, die Fehden der Adelsgeschlech-
ter um die Mark Brandenburg relativ unbeschadet zu überstehen. Nach dem Aussterben der mär-
kischen Askanier 1320 überträgt der Wittelsbacher Kaiser Ludwig IV. im Jahre 1323 die Mark
Brandenburg seinem ältesten Sohn Ludwig dem Brandenburger. Von Anfang an ist die wittels-
bachische Regierung über Brandenburg von starken Spannungen geprägt. 1325 erschlagen und
verbrennen die Berliner und Cöllner Bürger Propst Nikolaus von Bernau, der als Parteigänger des
Papstes gegen den Kaiser aufgetreten war. Daraufhin verhängt der Papst über Berlin das Interdikt.
1380 gibt es einen Großbrand in Berlin. Dabei werden unter anderem das Rathaus und fast alle
Kirchen zerstört. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts werden die Kämpfe in Brandenburg immer
heftiger. Zwar ist das Land 1356 zum Kurfürstentum erhoben worden, doch Raubritter überziehen
das ganze Gebiet mit Plünderungen und machten auch vor den Stadttoren Berlins nicht halt; die
Bürgerwehr wird geschlagen, die Stadt besetzt. 1412 schickt König Sigismund seinen engsten
Berater, den Nürnberger Burggrafen Friedrich von Hohenzollern, nach Brandenburg. Er sollte die
aufrührerischen Adelsfamilien befrieden.
Friedrich besiegt die Raubritter, befreit 1414 Berlin und wird dafür zum Markgrafen und Kur-
fürsten ernannt. Mit ihm beginnt die 500jährige Verbindung zwischen Berlin und den Hohen-
zollern, unter denen die Stadt allmählich viele ihrer Rechte verliert. Sein Nachfolger Friedrich II.
nutzte innere Konflikte der Bürgerschaft als Vorwand, um das stolze Patriziertum seiner Herrschaft
zu unterwerfen: Der Magistrat wird entmachtet, alte Stadtrechte aufgehoben, Güter und Lände-
reien beschlagnahmt. Die Berliner lassen sich dies nicht lange gefallen. In dem berühmten »Berli-
ner Unwillen« von 1448 wehren sie sich und ziehen mit einer kleinen Heerschar gegen den Kur-
fürsten, der die Bürgerwehr jedoch besiegt; die Stadt musste sich öffentlich unterwerfen. Damit
hatte das kurfürstliche Landesregiment über jede bürgerliche Autonomiebestrebung gesiegt.
Der Kurfürst lässt seine Machtstellung auch in einem neuen Berliner Siegel darstellen: Es zeigte
zwar den Berliner Bären, doch auf seinem Rücken thronte von nun an der Hohenzollern-Adler in
Siegerpose.
Berlin wird nun planmässig zur Residenzhauptstadt ausgebaut: Friedrich II. legt 1443 den Grund-
stein zu einer Burg, die später zu einem Schloss erweitert wird, das seine Nachfolger immer wieder
verändern werden. Den Platz wählt er mit Bedacht: Genau in der Mitte zwischen den beiden Städ-
ten Berlin und Cölln auf dem sogenannten langen Werder an der Spree, angelehnt an die Stadt-
mauer und flankiert von zwei Ecktürmen, um den Verkehr über die »Lange Brücke« zwischen
Berlin und Cölln kontrollieren zu können. Beinahe kommt es gar nicht zum Bau, denn die Einwoh-
ner des bis dato unabhängigen Handelstädtchens Cölln-Berlin wollen partout nicht einsehen,
warum der Kurfürst, der doch eigentlich in Brandenburg residiert, ausgerechnet auf ihrem attrak-
tivsten Baugrund eine Residenz errichten muss. Die Chronik weiß zu erzählen, dass sie dem unbe-
liebten Kurfürsten den Baugrund überschwemmen, indem sie die Spree stauen und die Urkunde
über den Bauvertrag entwenden. Es hilft aber alles nichts: das »Zwing-Cölln«, wie die Einwohner
es nennen, wird gebaut und der Kurfürstensitz von Brandenburg nach Berlin verlegt.
Über die Jahrhunderte wächst sich das Schloss zu einem Labyrinth aus 1.210 Räumen an – ein
Werk, an dem namhafte Baumeister aller Epochen durch Erweiterungen oder Innenausbauten
mitwirken.
Eisenzahns Nachfolger, der prachtliebende Albrecht Achilles und der bescheidene Joachim II.
Nestor, dürften meisten Berlinern ebenso unbekannt sein, wie die Kurfürsten Joachim Hektor,
Johann Georg oder Sigismund, nach denen die Nebenstraßen des unteren Kurfürstendamms
benannt sind
Der Große Kurfürst baut nach dem 30jährigen Krieg, durch den Berlin schwer verwüstet wird, Heer
und Verwaltung aus. Er nimmt aus ganz Europa Glaubensflüchtlinge auf. In seiner Regierungszeit
erfolgt die Europaweite Anerkennung der Zugehörigkeit des Herzogtums Preußens zu
Brandenburg.
Ausgehend von dem Memhardt’schen Stadtplan von 1652 können wir nun versuchen, eine erste
räumliche städtebauliche Vorstellung von Alt-Berlin und Cölln zu gewinnen, die nun zwar immer
weiterhin durch die Spree getrennt sind, doch nun durch zwei Flussübergänge verbunden werden:
Der Mühlendamm und die Lange Brücke am Schloss leiten den Verkehr zu den 5 Toren der Stadt.
Die Rathäuser befinden sich im Schnittpunkt der Hauptstraßen: In Cölln am Fischmarkt, in Berlin
an der gleichweit vom Neuen und Alten (später Molken-Markt) entfernt gelegenen Kreuzung
Spandauer u. Georgenstraße (urspr. Oderberger Straße). Die Lage des Alten und des Fischmarkts
beiderseits des Mühlendamms fällt auf. Hier liegt offenbar eine Keimzelle der Doppelstadt,
gleichsam als Zwillingssiedlung erwachsen aus Raststätten reisender Kaufleute, sogenannte
»Staumärkte«.
Gegenüber den älteren Passorten Spandau und Köpenick findet hier der Handel aus der Mark
Meißen und von Magdeburg über Berlin-Belzig-Saarmund einen kürzeren Weg nach Stettin und
zur Ostsee. Der Weg durchzieht Cölln als Gertraudenstraße und mündet jenseits auf dem Alten
Markt, aber er setzt sich nicht fort.
Vom Rhein wurde wohl der Name Cölln mitgebracht, zumal in Köln der Dom ebenfalls St. Petri
geweiht war. Der Name Berlin ist slawischen Ursprungs und läßt sich wohl auf die Wurzel »brl«
(Sumpf, Morast) und das Anhängen des Suffixes »-in« als Geländename für einen trockenen Platz
innerhalb eines beiden Städte begünstigte die Errichtung aufwendiger profaner und geistlicher
Steinbauten.
So könnte die
»Zwing-Cölln«
um
1500 ausgesehen haben.
(Ein Rekonstruktionsversuch von
Albert Geyer um 1900)
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