Das Heilig-Geist-Viertel
Das Heilig-Geist-Viertel (heute das sog. MarxEngels-Forum) lag einst im dicht besiedelten historischen
Stadtkern von Alt-Berlin, zwischen Spandauer Straße und dem östlichen Spreearm, an dessen Ufer die
Burgstraße verlief.
Die Geschichte des Heilig-Geist-Viertels geht bis in die Zeit der Gründung der Stadt Berlin um 1230 zurück,
als die Marienkirche im benachbarten Marienviertel bereits urkundlich erwähnt wurde. Zu dieser Zeit wurde
die Stadt im Norden bis zur Neuen Friedrichstraße (heute in diesem Bereich Anna-Louisa-Karsch-Straße)
erweitert und wenig später mit einer Stadtmauer umgeben.
Seinen Namen hatte das Viertel erhalten vom Heilig-Geist-Spital, eines von drei Hospitälern im mittel-
alterlichen Berlin. Es befand sich auf der westlichen Seite der Spandauer Straße unweit des heute nicht mehr
existierenden Spandauer Tores und diente der Alten- und Krankenpflege.
Im Süden wurde das Heilig-Geist-Viertel seit dem Mittelalter durch die Königsstraße (heute Rathausstraße)
und das angrenzende Nikolaiviertel begrenzt.
Auf dieser Luftaufnahme sieht man den Dom im Vordergrund und auf der gegenüber liegenden Seite der
Spree die Uferbebauung der Burgstraße, auf die weiter unten noch eingegangen wird.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bebauung des historischen Stadtkerns, also auch dieses Viertels stark
zerstört. Einige der noch bewohnbaren Häuser, die nicht unmittelbar vom Einsturz bedroht waren, wurden
noch in den ersten Nachkriegsjahren bewohnt und erst bei der Neugestaltung des Ostberliner Stadtzentrums
(Hauptstadtplanung) Ende der 1960er-Jahre abgerissen.
Das gesamte Areal wurde eingeebnet und nach der Errichtung des Fernsehturms und seiner Umbauung
ebenso wie die Freifläche vor dem Roten Rathaus von der DDR unter Denkmalschutz gestellt als Teil einer
geplanten Hauptstadtachse, die bis zum Brandenburger Tor reichte.
In den 1980er-Jahren wandelte der Ostberliner Magistrat das zentrale Areal zwischen Spandauer Straße und
Spree in eine Parkanlage um, auf der ein sozialistisches Denkmal errichtet wurde: Das sogenannte Marx-
Engels-Forum.
An zentraler Stelle plazierte man eine überlebensgroße Bronzeskulptur des Bildhauers Ludwig Engelhardt,
darstellend die Verfasser des Kommunistischen Manifests und Vaterfiguren des Sozialismus: Karl Marx
(sitzend) und Friedrich Engels an seiner Seite. Dahinter eine Reliefwand von Werner Stötzer aus
bulgarischem Marmor mit der Darstellung von Menschengruppen in frühkapitalistischer Umgebung.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes: Bronzereliefs von Margret Middell, Szenen des Lebens in einer
befreiten Gesellschaft. Dazwischen, im Bogen angeordnet, vier doppelseitige, flächige Edelstahlstelen,
gestaltet von diversen Künstlern mit zahlreichen Fotodokumenten aus der Geschichte der Arbeiterbewegung,
dauerhaft in die geschliffene Oberfläche erodiert.
Hier die 1986 von Erich Honecker eingeweihte Denkmalanlage zu Zeiten, als der Palast der Republik noch
stand.
Das Marx-Engels-Forum überdauerte zwar die ersten
zwei Jahrzehnte nach der Wende. Doch, obwohl mitten
im Zentrum gelegen und nur einen Steinwurf entfernt
vom Roten Rathaus, entwickelte es sich nicht zu einem
urbanen Treffpunkt. Weder fanden jemals hier De-
monstrationen oder Versammlungen statt, noch wurde
dies ein Ort zum Feiern oder gar für spontane Treffen.
Die beiden sozialistischen, ziemlich mürrisch drein-
blickenden Überväter boten höchstens Touristen ein
willkommenes Fotomotiv.
Zwanzig Jahre nach der Wende kommt in diese Ödnis erst Bewegung, als man das Areal benötigt, um als
Baulogistikzentrum für den Trassenbau der U-Bahnlinie 5 zu dienen, die vom Alexanderplatz über das Rote
Rathaus bis zum Brandenburger Tor führen wird.
Vorläufig abgestellt, blicken beide in der Nähe des Aqua-Dome-Hotels bis auf unbegrenzte Zeit gen Westen.
Das zentrale Areal des einstigen Heilig-Geist-Viertels ist nun bis auf weiteres ebenso namenlos wie die große
Freifläche zwischen Rathaus und Marienkirche. In den nächsten fünf Jahren werden hier die Kräne und
Bagger das Bild bestimmen. Doch wie das Viertel in Zukunft aussehen wird, ist derzeit völlig ungewiss.
Wollte man das HeiligGeist-Viertel wieder bebauen, dann wäre eine möglicherweise sinnvolle Option, sich
dabei an dem historischen Straßengrundriss zu orientieren, der diesen Ort über 7 Jahrhunderte lang prägte.
Nach über 6 Jahrzehnten Nichtexistenz ist die Burgstraße vis-á-vis dem Schlossplatz mittlerweile weitgehend
in Vergessenheit geraten. Würde man sie eines Tages wieder bebauen, lägen hier die begehrtesten Grund-
stücke des gesamten Viertels mit Blick auf die Spree und auf die Ostfassade des dann wiedererrichteten Ber-
liner Schlosses / Humboldtforum.
Ab 1859 wird schräg gegenüber vom Dom die Berliner Börse errichtet.