AG Historische Mitte Berlin Arbeitsgemeinschaft zur Wiedergewinnung des historischen Stadtkerns
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Das Nikolaiviertel  (II) Das Knoblauchhaus in der Poststraße 23 / Ecke Nikolaikirchplatz ist eines der wenigen am ursprüng- lichen Standort verbliebenen Berliner Bürgerhäuser des 18. Jahrhunderts, das mit seinen drei frei- stehenden Fassadenseiten eine dominierende Stellung innerhalb des Quartiers einnimmt. Ursprünglich 1769 im Stil des Rokoko errichtet, besitzt es einen unregelmäßig trapezförmigen Grundriss; 1806 erhielt die Fassade einen umlaufenden klassizistischen Rankenfries, der prägnant unterhalb der Fenster des zweiten Obergeschosses platziert wurde. 1759 erwarb der Heereslieferant Johann Christian Knoblauch das hier befindliche baufällige Haus und ließ an dessen Stelle einen massiven Neubau errichten. Er wohnte mit seiner Frau und den Söhnen darin und betrieb sein Handwerk, das heißt, er fertigte Nähnadeln, Strick- und Schusternadeln, auch Siebe und Fenstergitter gehörten zu seinen Erzeugnissen. Hauptauftraggeber war jedoch das Militär, für das er Haken, Ösen und Ketten fertigte. Seine Nachkommen richteten das Familienunternehmen auf die Herstellung und den Handel mit Seidenbändern aus. Im Haus der wohlhabenden und mit den Bankiersfamilien Keibel und Franz verschwägerten Familie waren Persönlichkeiten wie Wilhelm von Humboldt, Karl Friedrich Schinkel, Christian Friedrich Tieck, Freiherr vom und zum Stein und viele andere Künstler, Schriftsteller oder Techniker gern gesehene Gäste. Die Familie besaß das Gebäude über 170 Jahre lang und verkaufte es erst 1929 an die Stadt Berlin. Im Gegensatz zu den meisten Gebäuden des Nikolaiviertels überstand das Knoblauchhaus den Bomben- krieg 1943 bis 1945 ohne größere Schäden. Das bis dahin als Mietshaus genutzte Gebäude wurde in den 1980er Jahren grundlegend saniert und 1989 als Außenstelle des Märkischen Museums eröffnet. Seit 2005 gehört das Museum zur Stiftung Stadtmuseum Berlin.       Einige herausragende Bauwerke unterbrachen die weitgehend erhaltenen mittelalterlichen Strukturen. Am südlichen Rand des Viertels wurde 1766 auf dem Grundstück Mühlendamm / Ecke Poststraße das Ephraim-Palais fertiggestellt, ein außerordentlich gelungenes Beispiel Berliner Rokokoarchitektur, im Volksmund bald „die schönste Ecke Berlins“ genannt. Der Hofjuwelier und Finanzier Friedrichs des Großen, Veitel Heine Ephraim, hatte sich hier einen repräsentativen Wohnsitz bauen lassen, geschmückt mit Putten und steinernen Vasen und mit filigranen, vergoldeten Balkongittern. Der Bauherr Ephraim wohnte und arbeitete selbst im Palais. Im Hof befand sich eine Silberscheideanstalt. Die Läden im Erdgeschoss, die die Verkaufsstände der Mühlendammkolonnaden verlängerten, wurden vermietet. Ephraim starb 1775. Das Palais blieb bis 1823 in Familienbesitz. 1843 erwarb die Stadt Berlin das günstig gelegene Haus und brachte hier Polizeioffiziere und das Ein- wohnermeldeamt unter. 1888 wurde der Mühlendamm um 1,20 Meter angehoben, um die Fahrbahn zu verbreitern und diese Niveauänderung führte zwangsläufig  zu Fassadenänderungen. Zur Ersetzung des festen Mühlendammes durch eine breitere Brücke wurde 1935 eine steilere Rampe für die Spreeüberquerung notwendig. Verbunden mit den Plänen der Nationalsozialisten zur Schaffung eines Gauforums vor dem Stadthaus und dafür repräsentativen Einfahrt brach man das Ephraimpalais kurzerhand ab und transportierte es ins Depot. Die Fassade und einzelne Bauteile lagerten im späteren West-Berlin über Jahrzehnte auf einem Lagerplatz im Ortsteil Wedding und überstanden dort den Zwei- ten Weltkrieg. Zeitweise beabsichtigte man dort, das Palais an einem neuen Standort in der Kreuzberger Lindenstraße wieder aufzubauen und als Museumsgebäude für die geplante Jüdische Abteilung des Berlin-Museums zu verwenden; doch dieser Plan ließ sich nicht umsetzen, da sich die Konstruktions- unterlagen in Ost-Berlin befanden. Im Rahmen des Wiederaufbaus des Nikolaiviertels wurde das Ephraim-Palais von 1985 bis 1987 unter Orientierung am Ursprungsbau und Verwendung der erhalte- nen Fassadenteile ebenfalls wieder errichtet: allerdings etwa 12 Meter nördlich des ursprünglichen Standorts. Dieser stand nicht mehr zu Verfügung aufgrund der in den 1960er Jahren erfolgten Verbreite- rung des Mühlendamms auf nunmehr insgesamt acht Fahrstreifen.                Heute sieht die Kreuzung Mühlendamm / Spandauer Straße so wie unten abgebildet aus. Schwer vorstellbar, dass hier einst der Übergang von Alt-Cölln nach Alt-Berlin war. Die Spree ebenfalls von der Mühlen- dammbrücke um 2012. Im Hintergrund die im Bau befindliche Rathausbrücke nach einem Entwurf des Architekten Walter Noebel. Erkennen kann man noch den alten Mittelpfeiler, der mitt- lerweile jedoch entfernt wurde. Am öst- lichen Ufer die 1987 im Rahmen des Wiederaufbaus Nikolaiviertel errich- teten rekonstruierten kleinteiligen Bür- gerhäuser (Plattenbauten), mit denen wir uns im Kapitel „Das neue Niko- laiviertel“ noch näher beschäftigen werden. Um zu veranschaulichen, wie es zu dieser grotesken, jeder Urbanität spottenden städtebaulichen Situa- tion kommen konnte, ausgerechnet dort, wo Berlin vor etwa acht Jahrhunderten gegründet wurde, muss man noch einmal kurz die bewegte Geschichte jenes Mühlendamms erzählen, den die ersten Siedler an einer Furt der Spree errichteten, um dort einen Übergang zu schaffen und Handel treiben zu können.                                                                          Der Mühlendamm gehört zu jenen Relikten aus der Gründungszeit Berlins, von denen kein einziger Stein, kein Holzbalken, kein verrosteter Nagel erhalten geblieben ist. Da gibt es nur noch den Ort, eine Besonderheit der Topografie, an dem sich die Spree in drei – heute in zwei – Arme teilte und wo es wohl seit Urzeiten eine Furt gab, die für Pferd und Wagen passierbar war. Hier bauten die ersten Siedler zunächst einen Knüppeldamm mit einigen Brückenteilen, was die Überquerung der Spree an dieser schmalen Stelle des Urstromtales spürbar erleichterte. Der Damm bestand aus starken Baumstämmen, Steinen und geschichteten Reisigbündeln, das Wasser staute sich auf und floss durch die überbrückten Lücken ab. Grundriss der beiden kurfürstlichen Residenzstädte Berlin und Cölln mit Darstellung der ersten Schleuse im Neben- arm der Spree. Auf den Talsandinseln beiderseits der Furt über die Spree entstanden alsbald zwei Marktorte, Berlin und Cölln, mit einigen Holzhäusern und je einer kleinen Fachwerkkirche. Zwei Generationen später muss Berlin schon zum größeren Handelsplatz geworden sein, sonst hätten die askanischen Markgrafenbrüder Johann I. und Otto III.,die mittlerweile über das Gebiet herrschten, die Siedlung nicht zur Stadt erhoben. Die  Stadtrechtsverleihung, die wohl um 1230 stattfand, war eine Investition, von der die Landesherren hoffen konnten, dass sie sich rentieren würde. Den Bürgern wird dabei Land überlassen und Sicherheit für ihren Besitz zugesagt: Ihr Haus können sie vererben oder verkaufen. Sie dürfen sich selbst verwalten und haben ein eigenes Recht. Mit der Stadtrechtsverleihung setzt überall ein Bauboom ein, so auch in Berlin und Cölln. Aus Hunderten dicker Eichenpfähle errichten die Bürger den Mühlendamm, der die Schwesterstädte verbindet. Sie stauen die Spree auf und nutzen die gewaltigen Wassermassen zum Antrieb von Wasser- mühlen. Gleichzeitig werden durchreisende Händler auf diese Weise gezwungen, ihre Schiffsfracht umzuladen und die Waren einige Tage auf dem Markt anzubieten, was wiederum den Handel begünstigt. In beiden Städten wird mit dem Bau großer Feldsteinkirchen begonnen, die erst Jahrzehnte später fertig gestellt werden. An St. Nikolai wird eine Propstei eingerichtet, die Kirchenverwaltung für den gesamten Barnim. Die ersten Mühlen auf dem Mühlendamm waren Getreidemühlen. Für die Cöllner und Berliner Bürger bestand hier ein von den Markgrafen verordneter „Mahlzwang“, das heißt, sie mussten ihr Getreide in diesem „Mühlenhof“ genannten Ensemble von drei Mühlen mahlen lassen und durften nicht in eine der umliegenden Mühlen ausweichen. Wegen der günstigen Lage an der Spreegabelung, wo im Laufe der Jahrzehnte durch Uferbefestigungen ein mehrere Quadratkilometer großer Stausee entstand – unter anderem durch das Einrammen von fast 40.000 Eichenstämmen, wuchs die Zahl der Mühlen beständig.                           . Damm und Mühlen unterbanden den Schiffsverkehr auf der Spree. Erst 1578 wird eine Schleuse er- wähnt. Bis dahin musste der Warenverkehr flussauf- und abwärts zwischen Berlin und Cölln unterbro- chen werden, die Waren aus- und auf andere Schiffe jenseits des Mühlendammes umgeladen werden. Deshalb entstanden hier hölzerne Verkaufsstände, die 1687 auf Geheiß des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in Stein errichtet werden mussten. Nach dem Entwurf von Johann Arnold Nering wurden den Läden die sogenannten Kolonnaden vorge- setzt: Es entstanden die ersten Arkadenhallen auf dem Mühlendamm. Sie wurden mit Kreuzgewölben gedeckt. Die Schlusssteine der Bögen wurden als Porträts ausgeführt, die Rückwände der Gänge mit Bil- dern der bedeutendsten Städte der Mark Brandenburg geziert. Zwischen 1701 und 1710 erhielt die Brücke sechs massive Gewölbe aus Sandstein mit einer Spannweite von je 4,8 Metern. Inschriftensteine, die beim Abbruch der Brücke gefunden wurden belegen die Jahreszahlen 1701 und 1707 sowie den Namen des damaligen Mühlenhauptmanns von Kamecke. Bis 1750 fand der Weihnachtsmarkt auf dem Mühlendamm und Molkenmarkt statt. Dann wurde er in die Breite Straße verlegt.                                                                    1747 und 1759 beschädigte ein Brand den Mühlendamm und seine Gebäude. König Friedrich II. nahm die Reparaturarbeiten zum Anlass, die Kolonnaden zweistöckig aufführen zu lassen. Durch den Umbau verengte sich die verkehrsreichste Straße von Berlin auf acht Meter in der Breite. Trotz großer Beein- trächtigungen durch Lärm, Schmutz und üble Gerüche, den der Betrieb der Mühlen verursachte, galt der Mühlendamm den Zeitgenossen Mitte des 18. Jahrhunderts als vornehmes Kaufmannsviertel. Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt die Brücke Sandsteingewölbe. Die Zahl der Mühlen erhöhte sich in den folgenden Jahrzehnten auf zehn. Der enge Mühlendamm zeigte sich als eine der belebtesten Geschäfts- straßen Berlins, die Mühlen blieben die wichtigste Energiequelle der Stadt, bis sie in dieser Rolle in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts von den Dampfmaschinen abgelöst wurden.                       
Knoblauchhaus, Poststraße 23 / Nikolaikirchplatz
Das Knoblauchhaus; über dem Dach im Hintergrund die beiden Kirchtürme.
Das Ephraimpalais am Mühlendamm/Ecke Poststraße um 1900. Ephraimpalais vom Mühlendamm, ca 1930. Ephraimpalais von Osten, im Hintergrund die Petrikirche. Ephraimpalais, Niederlegung, 1935
Ephaimpalais, Niederlegung, 1935.
Abgerissenes Epharimpalais, 1937. Wiederaufbau in den 1980er Jahren. Mühlendamm / Spandauer Straße Mühlendamm / Spandauer Straße Spree von der Mühlendammbrücke zur Rathausbrücke Mühlendamm Berlin / Cölln, 1180 Berlin, Cölln, erste Schleuse im Nebenarm der Spree Der Memhardtplan mit dem Mühlendamm, 1652. Der Memhardtplan mit dem Mühlendamm, 1652. Mühlendamm mit Kolonnaden, 1690
Mühlendamm mit Kolonnaden. Blick von Cölln nach Berlin. Zeichnung von Johann Stridbeck, 1690. 
Ephraimpalais am Mühlendamm um 1830.
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